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Letzte Bearbeitung: 02.04.2025 20:46
 

Aleksandra Derganc, Ljubljana

Der Dual in den slawischen Sprachen




O. Univ.-Prof. Dr. Aleksandra Derganc

Institut für Slawistik der Universität Ljubljana
Oddelek za slavistiko Filozofske fakultete Univerze v Ljubljani
Katedra za ruski jezik


aleksandra.derganc@guest.arnes.si

11.11.2003 (Dienstag)

13,00-14,00

UR 1.224

Merangasse 70

Aleksandra Derganc

I.

Der Dual ist ein Glied der grammatischen Kategorie Numerus und ist dem Substantiv und dem Personalpronomen eigen. Bei anderen Wortarten (Adjektiv, Verb) wird er durch Kongruenz zum Ausdruck gebracht. Obwohl es keine allgemeine Übereinstimmung in dieser Sache gibt, meinen doch die meisten Sprachwissenschaftler, dass der Dual in den Sprachen, die Singular, Dual und Plural kennen, das doppelt markierte Glied ist. Fr die erste Opposition im dreizähligen System gilt nämlich die Opposition: Singular : Plural = eins : mehr als eins. In dieser Opposition gilt für das markierte Glied der Plural. Weiter gibt es die Opposition Plural : Dual, wo das markierte Glied der Dual ist, dass heißt, dass der Plural manchmal den Dual ersetzen kann. Diese doppelte Markierung erklärt nach Meinung einiger Sprachwissenschaftler die relative Instabilität des Duals.

Singular : Plural (markiert)
eins : mehr als eins

Plural : Dual (markiert)
mehr als eins : zwei

II.

In Anbetracht dessen, dass der Dual in den meisten indioeuropäischen Sprachen existiert hat, dann aber verschwunden ist, gilt der Dual für eine Art Archaismus und exotische Erscheinung, die zum Verfall verurteilt ist. Vom Standpunkt der sprachlichen Typologie, die möglichst viele Sprachen berücksichtigt, ist dem jedoch nicht so. G. Corbett weist in seiner, der grammatischen Kategorie Numerus gewidmeten Monographie darauf hin, dass es in der Welt viele Sprachen gibt, in denen der Dual erfolgreich lebt.

Die Erfahrungen der historischen bzw. (beziehungsweise) indioeuropäischen Sprachwissenschaft bedingen auch Meinungen, wann der Dual in einer Sprache existiert. Fr slawische Sprachen wird als Ausgangpunkt der Stand im Altkirchenslawischen angenommen, der bestimmt dem Stand im Urslawischen und dem Indioeuropäischen nahe steht. Dieser Stand hat mindestens in älterer Sprachwissenschaft den Status eines Ideals erworben, bzw. des richtigen Duals. Im Altkirchenslawischen wurde der Dual gebraucht, wenn die Rede von zwei Sachen oder zwei Personen war (Es existierten also Dualformen in Opposition mit Singular- und Pluralformen fr Substantive und Personalpronomen). Dualformen kannten aber auch alle mit Substantiven und Personalpronomen kongruenten Wortarten, das heißt Adjektive, Verben, Partizipien und so weiter.

Altkirchenslawisch:

Substantiva, Adjectiva, Pronomina:

N / A grada ženE nova ta
G / L gradu ženu novu toju
D / I gradoma ženama novoma tEma

Personalpronomina:

1. Person 2. Person
N vE vy/va
A na va
G / L naju vaju
D / I nama vama

Verbum – Praesens:

  1. – vE
  2. – ta
  3. – te/ta

vE (Du) idevE (Du) – wir zwei gehen

IjakovЪ i IoanЪ рeсте (Du) – Jacobus und Johannes haben gesagt

dЪva brata (Du) reste (Du) – (die) zwei Brüder haben gesagt

Eine wichtige Eigenschaft des altkirchenslawischen Duals war auch, dass im Dual auch Substantive vorkamen, die entweder paarige Körperteile oder Gegenstände oder Personen, die gewöhnlich im Paar vorkommen, bezeichneten:

oči, uši, rOcE, nodzE, roditelja – alles Du

priemЪ vodO umy rOcE

Im Vergleich mit diesem Stand wurde der Dual in späteren Zeitabschnitten der slawischen Sprachen oder zum Beispiel im modernen Slowenischen weniger verwendet, beziehungsweise er wurde in gewissen Segmenten mit dem Plural ersetzt – das veranlasste zum Beispiel Belić zur Behauptung, das slowenische Dual sei nicht der "richtige" Dual, oder zur Behauptung von Stankiewicz, der Dual sei im Slowenischen und Sorbischen "but a historical residue", was als "historisches Überbleibsel" übersetzt werden kann. Die Erkenntnisse aus anderen Sprachen einerseits und natürlich der synchrone Standpunkt zum Thema Dual als grammatischer Kategorie anderseits enthüllen, dass der Dual in der Sprache dann existiert, wenn es eine grammatische Dualform existiert, die dann und nur dann verwendet wird, wenn es um zwei Entitäten geht. In dem schon erwähnten Buch Corbetts sind Sprachen angeführt, die den Dual nur bei Personalpronomen in der ersten und zweiten Person kennen – und doch wird angenommen, dass diese Sprachen über den Dual verfügen. Das gilt sich zu merken angesichts der ziemlich lebendigen Überzeugung, dass der Dual etwa im Slowenischen aufgegeben wird, dass er verfällt und so weiter. Das trifft zwar fr bestimmte Segmente zu, wo Dualformen aus verschiedenen Gründen in der Tat den Pluralformen weichen. Auf der anderen Seite gibt es Segmente, wo der Dual sogar stärker geworden ist. Der Dual existiert in einer Sprache nicht mehr, wenn es keine Sprechposition beziehungsweise keine Wortart gibt, wo für zwei Entitäten besondere Dualformen verwendet würden.

III.

Jetzt möchte ich etwas über wichtige Eigenschaften des slowenischen Duals sagen, die sich in der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet haben, und zwar unter Heranziehung von Erkenntnissen aus anderen slawischen Sprachen – vor allem aus dem Altkirchenslawischen, das sich dem Urslawischen bestens annähert und als Ausgangspunkt vermutet wird, sowie aus dem Altrussischen und Sorbischen. Die grammatische Kategorie Dual im Slowenischen zeigt sich in diesem Licht vor allem nicht als ein historisches, zum Verfall verurteiltes Relikt, sondern als Ergebnis einer bestimmten Umgestaltung, bei der gewisse Segmente der Dualparadigmen und/oder Dualbedeutungen aufgegeben wurden, in gewissen Segmenten sie aber sogar an Verstärkung gewonnen haben beziehungsweise gewinnen.

III.1

Sehen wir uns noch mal ein paar Paradigmen im Altkirchenslawischen an, das uns als vermutlicher Ausgangspunkt dienen soll – natürlich nicht, weil das Altkirchenslawische Vorgänger des Slowenischen gewesen wäre, sondern eine Sprache, deren System im 9. Jahrhundert geschrieben wurde und vermutlich allen anderen urslawischen Dialekten noch sehr nahe steht. Wie schon erwähnt, hatten altkirchenslawische Substantive besondere Dualformen, die sich von Singular- und Pluralformen unterscheiden, deren Inventar aber kleiner ist als bei den anderen zwei Numeri, Nominativ/Akkusativ, Genitiv/Lokativ in Dativ/Instrumental haben nämlich gleiche Formen. Substantive kongruieren mit Adjektiven, adjektivischen Pronomen und Partizipien, und selbst dem Numerale dva, dvE. Ein besonderes Paradigma bilden dualische Personalpronomen sowie finite Verbformen. Fr den altkirchenslawische Dual ist es wichtig, dass Substantive vom Typ oči, rOcE, uši, nodzE , die paarige Organe bezeichneten, im Dual vorkamen. Es hat den Anschein, als hätte es sich um eine Art Kollektiva gehandelt, die nicht zwei Einheiten bedeuteten, sondern eher ein Organ, das aus zwei Teilen bestand. Dieser Gruppe ähnelt auch die Bezeichnung für Eltern roditelja , die eine typische Gemeinschaft zweier Personen bedeutet.

Zugleich möchte ich auf ein ungünstiges Segment aufmerksam machen, das zweifellos den Schwund des Duals zur Folge hatte, nämlich auf die Homonymie der Pronomen für die zweite Person Dual und Plural im Urslawischen. Das Pronomen lautete vy . In altkirchenslawischen Texten wurde im Nominativ Dual mehrmals die Form va belegt, die der Akkusativ Dual ist.

III.2

Fr das Altrussische, das ziemlich viele Texte aus dem Zeitraum vom 11. bis zum 14. Jahrhundert erhalten hat, gilt, dass in frühesten Zeitabschnitten der Dual ungefähr in solchem Ausmaß verbreitet war wie im Urslawischen beziehungsweise im Altkirchenslawischen. Besonders wertvoll sind altrussische Texte deswegen, weil sie eine Menge von Belegen anbieten, die Žolobov vor kurzem gesammelt hat, nämlich dass die Form vy in der Tat sowohl das Dual- als auch Plural-Pronomen war. In der letzten Zeit ist das Korpus altrussischer Texte bereichert worden mit Novgoroder Birkenrinden-Inschriften, die zwar nicht umfangreich und häufig fragmental sind, doch weisen sie unter anderem das Vorkommen des Duals im Altrussischen auf, und das in einer Sprache, in der praktisch keine Einflüsse des Kirchenslawischen zu beobachten sind.

Brief Nr. 605 (Ende der achtziger Jahre des 11. Jahrhundert – 1. Drittel des 12. Jahrhundert) (Zaliznjak 1995: 264)

покланАние о(т) ефрЕма кЪ братоу моемоу исоухиЕ

не распрашавЪ розгнЕвасА мене игоумене не поу=

стиле а А прашалЪсА нЪ послалЪ сЪ

асафЪмь кЪ посадьникоу медоу дЕлА а при=

шла есвЕ оли звонили ...

Übersetzung: Gruss von Jefrem an meinen Bruder Isuhija. Du hast dich aufgeregt, ohne gefragt zu haben: der Igumen hat mich nicht gelassen. Ich habe gebeten, er hat mich jedoch mit Asaf zum Verwalter geschickt, um Honig zu holen. Aber wir (Du) sind (Du) gekommen, als sie schon geläutet haben...

Das ist ein Brief eines Mönches an den anderen. Die Dual-Form: а пришла есвЕ gehrt zum pronominal-verbalen Typ, sie besagt, dass es um zwei Teilnehmer der Handlung geht, um den Schreiber und Asaf. Das Personalpronomen der ersten Person Dual вЕ ist ausgelassen, wie das – im Unterschied zum modernen Russischen, das keine Kopula hat – in der Frühsprache der Novgoroder Briefe blich war (Zaliznjak 1995: 152).

Ein Beispiel für den Dual bei paarigen Substantiven:

Brief Nr. 644 (die zwanziger Jahre des zwölften Jahrhunderts) (Zaliznjak 1995: 244)

От нЕжеке ко завиду чемоу не восолеши чето ти есемо водала ковати (...)

а во три колотокЕ вокуе то ти . д. золотЪникЕ во кольцю тию .

Übersetzung: Von Nežka an Zavid. Warum schickst du nicht das, was ich dir schmieden ließ. (...) Schmiede (das geschickte Metall) in drei Schmuckringe ein; in diesen zwei Ohrringen (Du) gibt es für vier Goldmünzen dieses Metalls (Goldmünze = Gewichtseinheit, ungefähr 4,25 g).

Die Dual-Form ist hier во кольцю тию , Lokativ Dual des paarigen Substantivs und des Demonstrativpronomens.

Brief Nr. 235 (Mitte des zwölften Jahrhunderts) (Janin, Zaliznjak: 239-40, Zaliznjak 1995: 175)

ОтЪ Судише кЪ Нажиру. Сe ЖАдЪке, пославЪ Абетника дова , и пограбила мА вЪ братни долгь .

Übersetzung: Von Sudiša an Nažir. Žadko sandte zwei Gerichtseintreiber (Du), die mich wegen der Schuld meines Bruders pfändeten (Du).

Brief Nr. 603 (die sechziger bis siebziger Jahre des 12. Jahrhundert) (Zaliznjak 1995: 337)

от смолигу кЪ грецинови и к мирославоу

вы ведаета оже А тАже не добыле тА=

жА ваша нынеча жена моА заплатила

:к: гривнЪ оже есть посоулили двдЪви кнзю

Übersetzung: Von Smolig an den Griechen und Miroslav. Ihr beide wisst (Du) , dass ich die Klage nicht gewann. Die Klage ist eurige. Nun zahlte meine Frau 20 grivna, die ihr dem Fürsten David versprochen hatten.

Dieses Beispiel ist sehr interessant, denn es bestätigt erneut das Vorkommen von вы in der Bedeutung des Personalpronomens der zweiten Person Dual.

Schließlich ist der Dual im Russischen verschwunden. Ein genaues Datieren unterscheidet sich von einem Autor zum anderen. Es scheint, dass zuerst der Dual bei Pronomen in der ersten und zweiten Person sowie bei entsprechenden Verbalformen verschwunden ist, was unter anderem auf die Homonymie zwischen dem dualischen und dem pluralischen Pronomen für die zweite Person zurückzuführen ist. Laut Žolobov reicht das ungefähr in die Mitte des 13. Jahrhunderts. Substantive, die paarige Gegenstände bezeichneten, erhalten entweder die Dualform und bekommen die Pluralbedeutung oder wird die alte Dualform durch die neue Pluralform ersetzt. Substantive, deren Form ursprünglich dualisch ist, sind zum Beispiel очи, уши, плечи, колени, бока, рога (obwohl es keine Übereinstimmung gibt, ob die letzten zwei direkte Nachkommen der Dualformen sind). Substantive wie руки, ноги sind jedoch auch nach der Form pluralisch. Neben den Wortgruppen vom Typ два брата treten seit dem 14. Jahrhundert kongruente Wörter im Plural, den letzten Stoss dem Dual gab aber die Erweiterung der Form vom Typ два брата, auf три брата, четыре брата, bei denen früher der Plural stand. Diese Form wurde später als Genitiv Singular von Substantiven männlichen Geschlechts reinterpretiert, sie verbreitete sich jedoch auf 3 und 4 auf Rechnung der Pluralformen sehr langsam (ungefähr bis zum 16. Jahrhundert). Heute verfügt das Russische über die bekannte Verbindung, bekannt auch als kleiner Quantitativ: два, три, четыре брата. So hat der Dual im Russischen beträchtliche Spuren hinterlassen, doch als grammatische Kategorie existiert er nicht mehr, denn es gibt keine Sprechposition oder Form, wo für die Bedeutung zweier Entitäten eine besondere Dualform verwendet würde.

III.3

Was aber ist geschehen von einem Zustand, der im Altslowenischen sehr ähnlich dem Dargestellten gewesen sein muss, auf dem Weg zum modernen Slowenischen?

  1. Den alten Genitiv/Lokativ mit Ausnahme bei Personalpronomen gibt es nicht mehr. Beim Verbparadigma kam es zur Ausgleichung mit der charakteristischen Endung -a (nicht überall).
  2. Im Slowenischen tauchten zwei neue Personalpronomen fr die erste und zweite Person Dual auf: midva und vidva.
  3. Substantive, die paarige Organe oder Gegenstände bedeuten, zum Beispiel roke, noge, rokavice – gingen ohne Ausnahme in den Plural über – und zwar meistens auch nach der Form, nur das Substantiv oči hat die alte Dualform mit pluralischer Bedeutung. Noge me bolijo. Oči me bolijo . (Meine Beine/Augen tun weh.)

Im Institut für die slowenische Sprache Fran Ramovš werden Untersuchungen zum Dual durchgeführt, die auf dem neueren dialektalen Material basieren, das für den slowenischen Sprachatlas gesammelt worden ist. Schon die bisherigen Untersuchungen zeigen aber, dass der Zustand sich im Vergleich mit dem von Tesniere nicht wesentlich verändert hat. Der Atlas Tesnieres kann uns folglich als genügend verlässliche Unterstützung dienen. Den Karten in seinem Atlas ist zu entnehmen, dass fast auf dem ganzen slowenischen Territorium folgende Formen verbreitet sind (in ihren Dialektvarianten natürlich):

  1. dva brata (Karte Nr. 10)
  2. midva , onadva , medve , vedve , onidve (Karten Nr. 41-44)
  3. naju (Karte Nr. 46), najin , vajina (47), z nama (52)
  4. mlada im Kontext moja dva brata sta mlada (55)
  5. midva piševa , vidva govorita , onadva pišeta (65-67)

Auf den Sprachkarten der obigen Formen existiert der Dual auf dem fast ganzen slowenischen Gebiet, der Plural dagegen nur auf dem Randgebiet.

Aufgrund der Verbreitung von einzelnen Formen bei einzelnen Wortarten und aufgrund von historischen Quellen stellte Tesniere Folgendes fest: der Dual beginnt in dieser Reihenfolge zu verschwinden:

  1. (erstens) Bei den Fällen verschwindet zuerst Lokativ, dann Genitiv, Dativ, Instrumental und endlich Nominativ und Akkusativ.
  2. (zweitens) Der Dual verschwindet zuerst beim weiblichen, dann beim schlichen und schließlich beim männlichen Geschlecht.
  3. (drittens) Der Dual verschwindet zuerst beim Adjektiv, dann beim Demonstrativ-Pronomen, beim Substantiv, beim Personalpronomen. Die Entwicklung des Duals beim Verb weist im Slowenischen gewisse Besonderheiten auf. Zunächst verschwand der Dual schnell auch bei dieser Wortart, dann kam aber diese Entwicklung zum Stehen und verlief in umgekehrter Richtung. Laut Tesniere gehrt der verbale Dual zu den best erhaltenen.

Fr die nicht-standardsprachliche Umgangssprache der Ljubljana-Gegend ist es typisch, dass sich bei feminine Substantiven statt der standardsprachlichen Dualendung -i (Toporišič: 20) die Pluralendung -e durchsetzt. Obwohl historisch nicht ganz gerechtfertigt ist, in dieser Endung nur eine Pluralendung zu vermuten, sondern auch die Fortsetzung der alten "harten" Dualendung, die z.B. in der femininen Form des Numerales dve erhalten ist, führt solche Endung wegen der Gleichheit mit der Pluralform zweifellos in die Pluralisierung. So ist für die Umgangssprache der Ljubljana-Gegend typisch:

Kupil sem dv e knjig e (Pl) . (Ich habe zwi Bücher gekauft.)

Včeraj s va (Du) šl e (Pl) v kino. (Gestern sind wir (2 Frauen) ins Kino gegangen.

und auch ganz pluralisch:

Koliko s o (Pl) stal e (Pl) t e (Pl) dv e knjig e (Pl) ? (Jakopin 1966: 103)

(Wieviel haben diese 2 Bücher gekostet?)

Der Dual in der Umgangssprache der Ljubljana-Gegend wird oft aufgegeben auch bei den obliquen Casus, das heißt beim Dativ und Instrumental aller Geschlechte. Daher stammt der typische Fehler, der in der Standarsprache verfemt wird, nmlich pred dvemi leti (vor 2 Jahren, Pl)) statt pred dvema letoma (Du) . In der nicht-standardsprachlichen Umgangssprache ist häufig auch die Maskulinisierung von Substantiven schlichen Geschlechts. In solchem Fall wird der Dual bei Substantiven schlichen Geschlechts erhalten, doch werden sie mit Endungen für männliches Geschlecht versehen (das sonst mit der Endung für Plural schlichen Geschlechts übereinstimmt): dva stanovanja , dva vprašanja . (2 Wohnungen, 2 Fragen)

Insofern ich selber als Trägerin der nicht-standardsprachlichen Umgangssprache der Ljubljana-Gegend einschätzen kann, wird der Dual konsequent in allen Beispielen verwendet, die von Tesniere als die meist verbreiteten erwähnt werden, in den Sätzen also, wo das Subjekt mit dem Personalpronomen realisiert ist (das aber häufig auf der Oberfläche fehlt, so dass der Träger des Duals die Verbform ist) oder das Substantiv männlichen Geschlechts (dva) brata oder die Kooordination vom Typ Janez in Jože , Janez in Micka . In solchen Sätzen steht auch das Prädikat im Dual.

Es geht also um Sätze vom Typ:

Midv a /vidv a /onadv a /dva brata/Janez in Jože/Janez in Micka sv a /st a mlad a // sv a /st a bil a mlad a // hodiv a /hodit a v šolo.

In solchen Verbindungen ist der Dual auf dem größten Teil des slowenischen Gebiets stark verwendet.

Hier ist allerdings zu bemerken, dass es in allen diesen Verbindungen für den maskulinen Dual typische Endung - a gibt, und dass alle Glieder dieser dualischen Verbindungen markierter sind, entweder als Verbindungen mit dem Subjekt weiblichen Geschlechts oder als pluralische Verbindungen:

Weibliches Geschlecht: Mi dve /vi dve /oni dve /dv e sestr i s va /s ta // mlad i // s va /s ta bil i mlad i hodi va /hodi ta v šolo

Plural:

Männliches Geschlecht: M i /v i /on i /otroc i s mo /s te /s o mlad i // s mo /s te /s o bil i mlad i // hodi mo /hodi te /hodi jo v šolo.

III.4 Midva, vidva

Wie ist aber die Behauptung Tesnieres zu erklären, dass die Entwicklung des Duals beim Verb im Slowenischen bestimmte Besonderheiten aufweist, und dass zunächst der Dual auch bei dieser Wortart schnell verschwand, dann aber diese Entwicklung zum Stehen kam und in umgekehrter Richtung verlief, und dass heute der verbale Dual zu den besterhaltenen gehrt? Hier müssen wir auf die Behauptung zurückkommen, dass nicht nur Substantive die Träger des Duals sind, sondern auch Personalpronomen. Bei Verben ist der Numerus nur durch Kongruenz zu erkennen, natürlich aber bleiben sie, wenn Personalpronomen ausgelassen sind, einzige Träger des Numerus (und der Person). Es hat also den Anschein, dass es wegen der ungünstigen Homonymie zwischen dem Nominativ des dualischen und pluralischen Pronomens für die zweite Person an dieser Stelle zur Schwächung des Duals gekommen ist: Texte aus dem 16. (sechzehnten) Jahrhundert zeigen, dass man begann, für den Nominativ dualischer Pronomen für die erste und zweite Person die Formen mi und vi zu verwenden, was dazu geführt hat, dass im dualischen Kontext bei diesen Pronomen beim Verb entweder Dual oder Plural verwendet werden konnte. Solche Parallelen sind auch in anderen slawischen Sprachen zu finden. An dieser Stelle kam es aber im Slowenischen zur strukturell sehr einfachen und transparenten Stärkung dualischer Pronomen mit dem Element dva: midva , vidva . Im sechzehnten Jahrhundert war die Fakultativität des Elementes dva noch stark zu spüren. Bohorič führte in seiner Grammatik im Paradigma die Formen mi und vi an, und fügte hinzu, dass es möglich ist, diese Elemente mit dva zu ergänzen. Neben den neuen erstärkten Personalpronomen trug zur Stabilität dieses zentralen dualischen pronominal-verbalen Paradigmas auch die Ausgleichung der verbalen Endungen bei, die in allen drei Personen klar mit der Endung -a markiert waren (wenn das Subjekt männlichen Geschlechts war) Auf diese Weise reagierte das Sprachsystem auf die Schwächung dualischer Formen mit der Bildung morphologisch stärker markierter Formen, und zwar sowohl bezüglich des vermuteten urslawischen Zustandes als auch bezüglich des Singulars und Plurals. Solche morphologische Struktur entspricht der Annahme, dass semantisch stärker markierte Formen auch mit strukturell komplexeren oder längeren Elementen ausgedrückt werden, und genauso der Annahme, dass bei der Erhaltung des Duals gerade Pronomen eine wichtige Rolle spielen. Diesem Gedanken, dass nämlich für den Dual gerade Personalpronomen wichtig sind, denn der Unterschied zwischen zwei Teilnehmern einerseits und mehr als zwei Teilnehmern anderseits ist wichtiger als Unterschied zwischen zwei Gegenständen und mehreren Gegenständen, entspricht auch die hierarchische Leiter, die im schon erwähnten Buch Corbetts zu finden ist. Hier begegnen wir nämlich der Leiter:

Personalpronomen (1., 2., 3. Person) – Verwandte – Leute – belebt – unbelebt

und der Behauptung, je mehr links sich die angeführten Kategorien befinden, desto differenzierter drücken sie den Numerus aus. Ich habe schon erwähnt, dass es Sprachen gibt, die den Dual nur bei Personalpronomen kennen.

Zur Illustration:

  1. my (Pl) hozheva (Du) ... vy (Du + Pl) nevesta (Du) (Dalm. 1584, Marko X)

    Mi sva, sve, sva, Nos duo, duae, duo sumus

    vi sta, ste, sta , Vos duo, duae, duo estis (Bohorič 1584, De verbo 102)

  2. Anpag ta kazha /.../ ye rekla h ti sheni, sakai ye vom sapouedall Bug da ne imate iesti od vsakiga dreua v tim Paradyshi, nemu ye shena odgouorilla, my ieimo ta sad tih dreues kir so v tim paradyshi anpag od sadu tiga dreua kir ye v sredi /.../ sapovuedall ye nam Bug, da ne ieimo inu de se tiga ne dotagnemo , de mi lohki ne vmeryemo , rekla je pag ta Kazha h ti sheni, sh nikako smertyo ne vmeryete /.../ bote ieilli /.../ bodete koker Boguui, bote veidili dobru inu hudu /.../.

    /.../ vsame od nega sadu inu Jei inu da suimu moshu /.../

    inu kadar sta sposnala de sta naga , sta vkupe splella figouu lystye inu sta sebi sturilla bregeshe.

    (Trubar, Katekizem 1550)

  3. Inu ta Kazha /.../ ie diala hti Sheni, Ie li taku, de ie Bug rekal, Vidua nemata Iesti od sledniga driuesa vtim Vertu. Natu ta Shena praui hti Kazhi, Midua Ieiua od sadov tih Driues vtim Vertu, Ampag od tiga sadu tiga Driuesa vsredu tiga Verta, ie Bug rekal, Ne Ieita od nega, inu se ga ne dotikaita , De vidua ne vmerieta /.../

    Inu sta sposnala , de sta naga bila , Inu sta Fygouu lystie vkupe sashila , inu sta sebi Fyrtohe sturila .

    (Trubar, Tiga noviga testamenta ena dolga predguvor, 1557)

    (Freie Übersetzung:

    Aber diese Schlange /.../ sagte der Frau, warum befahl euch Gott, nicht von jedem Baum im Paradies zu essen, ihm entgegnete die Frau, wir essen die Frucht der Bäume, die in diesem Paradies sind, aber die Frucht des Baumes, der in der Mitte ist /.../, befahl uns Gott, dürfen wir nicht essen und nicht berühren, damit wir nicht sterben, doch die Schlange sagte der Frau, mit keinem Tod sterbt ihr /.../ wenn ihr esst /.../ werdet ihr wie Götter sein, werdet ihr Gutes und

    Böses erkennen /.../.

    Und sie sahen, dass sie nackt waren, und flochten die Feigenblätter und machten sich Vortücher.)

Im slowenischen herrschten also die Formen vor, die im letzten dritten Abschnitt zu sehen sind.

Vom typologischen Gesichtspunkt kann man interessanterweise parallele Erscheinungen in der Entwicklung und den Endresultaten dualischer Formen in einer anderen slawischen Sprache, die den Dual erhalten hat, beobachten, nämlich im Sorbischen. Auch in älteren sorbischen Texten kann man sehen, dass an der Stelle der ersten und zweiten Person Dual die aus my und vy stammenden Pronomen verwendet wurden (im Altsorbischen ist auch der Nachfolge des alten dualischen Pronomens der ersten Person vE belegt) und als Folge der Plural beim Verb (Loetzsch: 58-67). Auch im Sorbischen kam es zur Entstehung neuer, morphologisch stärker markierter Personalpronomen des Duals, nämlich moj und woj im Obersorbischen und mej und wej im Niedersorbischen. Die Endung -j ist sorbische Innovation, die die meisten Dualformen kennzeichnet. Man könnte annehmen, dass es einen bestimmten Zeitraum in der Geschichte des Sorbischen gab, in dem der Plural den Dual verdrängte, dass es aber zur Reaktion auf diesen Prozess kam, und zwar durch Bildung stärker markierter Dualformen. Das pronominal-verbale Paradigma im Obersorbischen lautet (Trofimovič: 194-95; 202):

  1. moj smoj
  2. woj stej/staj
  3. wonej stej/wonaj staj

Die Endung -j ist auch für andere Wortarten im Dual charakteristisch, z. B. Nominativ männlichen Geschlechts dwaj dubaj . Eine genaue Geschichte aller dieser Formen ist noch umstritten, doch weisen die Ergebnisse klar auf ihre starke morphologische Markierung gegenüber Singular und Plural hin.

III.5 Paarige Substantive

Im Vergleich mit dem Stand im Altkirchenslawischen überrascht auch die Tatsache, dass im Slowenischen Substantive, die paarige Körperteile oder Kleidungsstücke wie noge , roke , rokavice bezeichnen, im Plural vorkommen. Noge me bolijo.

Dieser Prozess muss noch vor dem 16. (sechzehnten) Jahrhundert abgeschlossen worden sein, aus dem protestantische Texte stammen, denn die Situation in diesen Texten ist mehr oder weniger der heutigen ähnlich.

Einige Beispiele aus Dalmatins Bibel und aus der Übersetzung 1997:

Das Hohelied: V.12: Njegove ozhy so kakor Golobje ozhy .

Njegove oči so kot golobi. (Seine Augen sind wie Tauben.)

V.14 Njegove roke, so kakor slati parstani .

Njegove roke so zlati obročki. (Seine H nde sind wie Goldringe.)

V.15: Njegova golena so kakor Marmelnovi stebri.

Njegove noge so alabastrni stebri. (Seine Beine sind wie Alabasters ulen.)

Wie im modernen Slowenischen werden auch in protestantischen Texten diese Substantive in Kombination mit dva , dve und oba , obe im Dual verwendet.

Matthus XVIII.8: Tebi je bulshe, de hrom ali kruleu gresh v'leben, kakor de bi dvej roki ali dvej nogi imel.

Bolje je zate, da prideš pohabljen ali hrom v življenje, kakor da imaš obe roki ali nogi.

(F r dich ist es besser, wenn du verkrüppelt oder lahm ins Leben kommst, als dass du zwei Arme oder Beine hast.)

Matthäus XVIII.9: Tebi je bulshe, de s'enim okum gresh v'leben, kakor de bi dvej okej imel.

Bolje je zate, da prideš z enim očesom v življenje, kakor da imaš dve očesi.

(F r dich ist es besser, wenn du mit einem Auge ins Leben kommst, als dass du zwei Augen hast.)

Es gibt einige Belege, dass im Altslowenischen diese Substantive im Dual vorkamen:

  1. in den Freisinger Denkmälern: pred bosima ozima (vor den Augen Gottes) (II. 27, 75, 86); pred Tu(o)ima osima (vor deinen Augen) (III.55).
  2. dieselbe Form in Dalmatins Bibel: de s'ozhima nevidio (dass sie mit den Augen nicht sehen) (Johannes XII.40); pred Boshjima ozhima (vor den Augen Gottes) (Vorwort VII); tedaj sim jest pred njegovimi ozhima postala, kakor ta, katera myr najde (Hohelied VIII.10). (da wurde ich vor seinen Augen, als diejenige, die Ruhe findet)

Doch kommt in protestantischen Texten auch die Pluralform vor:

Inu tu je zhudnu pred nashimi ozhimi (Dalm., Matthus XXI.42).

(Und das ist seltsam vor unseren Augen)

Die Grammatiker begründen den Pluralgebrauch in solchen Fällen mit Redundanz – in Hinsicht darauf, dass jeder Mensch zwei Arme, zwei Beine usw. hat. So hat auch schon Jernej Kopitar erklärt, so erklärt auch J. Toporišič (Seite 271), und dieselbe Erklärung finden wir im Sorbischen Sprachatlas (Sorbischer Sprachatlas: 34)

Es scheint, dass paarige Substantive eine besondere semantische Kategorie darstellen, deren Referent ein Koerperteil ( roke ) oder ein Kleidungsstück ( rokavice ) oder eine Personengruppe ( starši ) ist. Sie sind zwar zufällig aus zwei Teilen zusammengesetzt, doch steht im Vordergrund ihrer Bedeutung die Einheit dieser Teile in gemeinsamer Funktion.

Die Substantive noga , roka , nogavica sind aber zählbare Substantive, die ber alle drei Numeri verfügen.

Leva noga me boli. Ena nogavica je strgana. (Das linke Bein tut mir weh. Ein Strumpf ist zerrissen.)

Človek ima dve nogi. Dve nogavici sta strgani. (Der Mensch hat zwei Beine. Zwei Strmpfe sind zerrissen.)

Klavir ima tri noge. Tri nogavice so strgane. (Das Klavier hat drei Beine. Drei Strmpfe sind zerrissen.)

Kurzum, einerseits haben wir die zählbaren Substantive noga , roka , rokavica , die im Hinblick auf die Zahl der Referenten im Singular, Dual oder Plural verwendet werden. Anderseits haben wir Kollektiva roke , noge , oči , die ein körperliches Organ oder Kleidungsstück bezeichnen, und im Plural verwendet werden.

Hier möchte ich auf den Stand im Sorbischen hinweisen, in einer anderen slawischen Sprache, die den Dual kennt. Michalk fasst ihn folgendermaßen zusammen:

a) Fast auf dem ganzen Gebiet des Niedersorbischen und fast in allen Übergangs Dialekten hat der Dual seine Relevanz in allen substantivischen Fllen, sowie im Attribut und Prädikat erhalten. Die Relevanz ging nur bei paarigen Substantiven verloren, doch ist die Ersetzung der Dualformen mit Pluralformen selten. Im 11. (elften) Band des Sorbischen Sprachatlasses gibt es Beispiele: 53 mal mE se ruce ts'Esotej (Dual) und nur 5 mal mE se ruce/ruki ts'Esu (Plural). Ähnliche Verhältnisse gelten für mojej wušy/wuši bolitej moje wuši bola . Solcher Zustand ist auf dem Gebiet A1 zu finden.

b) Das obersorbische Gebiet ist in mehreren Streifen eingeteilt. Im nordwestlichen Teil verliert der Dual allmählich (vom Nordwesten nach Südosten) eine Relevanzposition nach der anderen, gleichzeitig aber wächst die Zahl der Plural-Substitutionen. Im ersten Streifen geht die Relevanz bei paarigen Substantiven verloren, dass heißt, dass paarige Substantive fast immer im Plural verwendet werden ( mje nohi bola – Fasske: 20). So sieht der Zustand auf dem Gebiet A2 aus. Weiter verliert sich die Relevanz beim Prädikat und Attribut (A3), und dann bei abhängigen Fällen (A4). Im südöstlichen Teil der obersorbischen Dialekte werden Dualformen immer öfter mit Pluralformen ersetzt, sogar im Nominativ mit dem Numerale dwaj/dwe bzw. Pronomen wobej/woboj , z.B. dwaj psi – dwaj psaj . Zwar existiert der Dual hier noch, hat aber gar keine Relevanzposition mehr.

c) Im äußersten Süden haben sich einstige Dualformen nur als kombinatorische oder fakultative Pluralvarianten erhalten, z.B. tri wolaj (C).

Folglich könnten wir das Gebiet A1 des Sorbischen mit dem Stand im Urslawischen vergleichen, und A2 mit dem Slowenischen.

III.6 Starši-starša

Jetzt komme ich auf paarige Substantive im Slowenischen zurück, und möchte auf eine Erscheinung aufmerksam machen, die nach meiner Meinung von der Produktivität des Duals im Slowenischen zeugt. Es geht um das Substantiv starši . Dieses Substantiv gehrt zwar in dieselbe Gruppe wie Substantive für paarige Organe bzw. Gegenstände. In den Texten aus dem 16. Jahrhundert kommt es – insofern ich in der Kartei im Institut für die slowenische Sprache schnell durchsehen konnte – immer im Plural vor. Es ist anzunehmen, dass es dasselbe Schicksal erlebt hat wie Substantive vom Typ roke , noge , dass es also im Altslowenischen wie z.B. im Altkirchenslawischen (altksl. roditelja ) im Dual vorkam und dann – wegen der Redundanz, denn die Eltern sind immer zwei – in den Plural überging.

Beispiel aus Ostromirs Evangelium:

КЪто сЪгреши: сЪ ли или родителя его? (Ио. IX.2).

Dasselbe Beispiel aus Dalmatins Bibel:

Gdu je greshil? leta ali njegovi Starishi?

Kdo je grešil, on ali njegovi starši? (1997)

(Wer hat gesndet, er oder seine Eltern?)

Sehr interessant ist der Abschnitt aus der Geschichte von Susanna aus Dalmatins Bibel. Darin taucht die Form starishi konsequent im Plural auf, wenn es um Eltern geht, im Dual dagegen, wenn es um zwei Ältesten geht: starisha . Das erste Substantiv verhält sich wie ein paariges Substantiv, eine Art Kollektivum, das eine aus zwei Personen zusammengesetzte Gemeinschaft bedeutet, während die Form starisha das Dual des zählbaren Substantivs darstellt.

Ona je imela brumne Starishe ( Pl – Eltern ), kateri so njo bily podvuzhili po Mosessovi Postavi. ...Tvistu lejtu pak sta bila dva Starisha ( Du – Ältesten ) is mej folka k'Rihtarjem postaulena. ... Inu kadar sta njo ta Starisha ( Du Ältesten ) vsak dan vidila noter hodejozh, so nyu hude shelje pruti njej obshle, de sta norela. ... Inu obeniga zhloveka nej bilu v'tem verti, kakor le ta dva Starisha ( Du – Ältesten ), katera sta se bila skrivshi skrila, inu sta na njo shpegala. ... Je ona prishla svojemi Starishimi ( Pl – Eltern ) inu otruki, inu sovso svojo shlahto.

(Freie bersetzung:)

Sie hatte fromme Eltern , die sie nach dem Gebot Moses gelehrt hatten. ... Jenes Jahr wurden aber zwei Ältesten vom Volk zum Richter gewählt. ... Und wenn diese Ältesten jeden Tag reingehend sahen, überwältigten sie böse Gedanken, dass sie wüteten. ... Und es gab keinen anderen Menschen in diesem Garten, nur diese zwei Ältesten , die sich versteckt haben und auf sie spähten. ... Sie kam mit ihren Eltern und Kindern und mit allen Verwandten.)

In der Gegenwartssprache kommt aber neben der blichen Pluralform sehr oft der Dual vor. Grund dafür, dass dieses Substantiv sich von anderen paarigen Substantiven losgerissen hat, liegt höchstwahrscheinlich darin, dass dieses Substantiv zwei Personen bedeutet, die wir empfinden können entweder als einheitliche Gemeinschaft von zwei Eltern oder als zwei individuelle Personen – Vater und Mutter. Statt starši wird oft die Wortgruppe oče in mati verwendet, das Prädikat steht dann natürlich im Dual.

Starši (Pl) so (Pl) me obiskali (Pl). (Die Eltern haben mich besucht.)

Oče in mati sta (Du) me obiskala (Du). (Vater und Muter haben mich besucht.)

Starša (Du) sta (Du) me obiskala (Du). (Die Eltern haben mich besucht.)

Der neue Slovenski pravopis bezeichnet die Dualform starša als nicht standardsprachlich – umgangssprachlich, whrend im SSKJ diese Form neben der üblicheren Pluralform starši angefhrt wird, wobei die Dualform starša keinen Qualifikator bei sich führt. Die Dualform scheint allerdings die neuere Entwicklung wiederzugeben und von der Produktivität des Duals zu zeugen, vor allem, wenn es um zwei Personen geht.

Zum Schluss möchte ich noch einmal betonen, dass der slowenische Dual, synchron gesehen, weitgehend lebendig ist, und dass er in geschichtlicher Entwicklung bestimmte Umgestaltung erlebt hat – für alle Prozesse in dieser Entwicklung können aber Parallelen in anderen slawischen Sprachen gezogen werden.

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